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04.05.2015

Öffentliche Anhörung zum Tarifeinheitsgesetz

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Zum Sommer soll das Tarifeinheitsgesetz in Kraft treten. In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss Arbeit und Soziales wägten Experten am 4. Mai 2015 Pro und Contra des Gesetzes ab. Wir Grünen meinen: Auf diese Weise untergräbt die Bundesregierung per Gesetz die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Koalitionsfreiheit – und damit auch das Streikrecht. Die gleiche Auffassung vertritt auch der von mir für die Anhörung benannte Experte – der Rechtsanwalt und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, der in der gemeinsamen Pressekonferenz auch ankündigte, dass er gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht Klage einreichen wird.

Kollidieren zwei Tarifverträge, so soll zukünftig per Gesetz nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb gelten. Viele Rechtswissenschaftler und auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages attestieren dem geplanten Gesetz, das sei voraussichtlich nicht verfassungsgemäß. Die Anhörung konnte das natürlich nicht klären – schlussendlich ist das Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes.

Eines zeigte die Anhörung aber deutlich: Das Streikrecht ist bei der Debatte um die gesetzliche Tarifeinheit zentral. Die Bundesregierung behauptet zwar immer noch steif und fest, dass Streiks von dem Gesetz nicht tangiert werden. Wäre dem so, dann bliebe auch nach Inkrafttreten des Gesetzes alles beim Alten und das Gesetz wäre aufgrund wenigen real existierenden Tarifkollisionen schlichtweg unnötig. Die Kritiker sind aber überzeugt, dass die Ausführungen in der Begründung des Gesetzes sehr wohl zukünftige Arbeitskampfmaßnahmen berühren. Und Gerhart Baum warnte, dass die Gefahr bestehe, dass die Öffentlichkeit allgemein gegen das Streikrecht mobilisiert werden soll. Und damit hat er Recht. Immerhin forderten einige der Sachverständigen bei der Anhörung offensiv, Streiks müssten unbedingt durch das Gesetz eingeschränkt werden.

Deshalb hat sich mit der Anhörung meine Sorge vergrößert, dass sich mit dem Gesetz zur Tarifeinheit eine Tür öffnet. Denn heftige Angriffe auf unser Streikrecht lassen schon jetzt nicht auf sich warten. So blasen derzeit die Wirtschaftspolitiker der Union zum Angriff und fordern eine gesetzliche Zwangsschlichtung für den Bereich der Daseinsvorsorge. Mit diesem Vorschlag nimmt die Union auch das Streikrecht aller DGB-Gewerkschaften ins Visier. Der Druck wird so immer stärker. Dabei ist der Streik das einzige Mittel der Beschäftigten, Druck auszuüben, um auf Augenhöhe mit der Arbeitgeberseite verhandeln zu können. Und diese Möglichkeit ist allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verfassungsmäßig garantiert.

Gleichzeitig ist das Gesetz zur Tarifeinheit der Bundesregierung schlecht geraten. Das war die überwiegende Meinung der Juristen und Richter, die bei der Anhörung als Experten eingeladen waren. Handwerklich hat es grobe Mängel und müsste unbedingt überarbeitet werden. Diese Ohrfeige aus dem Munde der Praktiker war am vergangenen Montag unüberhörbar.

Die Anhörung hat mich also von der gesetzlichen Tarifeinheit nicht überzeugen können. Daher sollte die Bundesregierung die Notbremse ziehen und das Gesetz zur Tarifeinheit stoppen. Das wird sie aber nicht tun – also wird das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen müssen und hoffentlich die Bundesregierung in ihre Schranken verweisen. Denn alle Beschäftigten haben das verfassungsgemäße Recht, sich in Gewerkschaften ihrer Wahl zu organisieren, um Tarifverträge zu verhandeln und in der Konsequenz auch dafür zu streiken.

 

Video der Anhörung