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02.02.2024

Persönliche Erklärung: Verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld sind nicht akzeptabel

Ich lehne das Haushaltsfinanzierungsgesetz ab, weil damit die verschärften Sanktionen beim Bürgergeld beschlossen werden. Menschen kann dann der Regelsatz komplett gestrichen werden, wenn sie zum zweiten Mal eine Arbeit ablehnen. Ich lehne das entschieden ab, auch wenn es auf grüne Intervention hin Verbesserungen gegeben hat. Allein die Androhung ist stigmatisierend und setzt alle anderen erwerbslosen Menschen unter Druck, prekäre und unpassende Beschäftigung anzunehmen. Es braucht individuelle Unterstützung – so wie es im Bürgergeld angelegt ist – und keine pauschalen Drohungen.

Persönliche Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes (Drucksache 20/10150).

Nach langen Verhandlungen entscheidet der Bundestag heute über das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 mussten am bereits verhandelten Haushalt für das Jahr 2024 weitere Änderungen vorgenommen werden, um die durch das Urteil entstandene Finanzierungslücke zu schließen.

Die Ergebnisse im Bereich des Ministeriums für Arbeit und Soziales halte ich in Teilen für schwierig bis untragbar. Um den Einsparungsanforderungen gerecht zu werden, wird im Bereich des Sozialgesetzbuches II bzw. Bürgergeldes der erst neu geschaffene Bürgergeldbonus nach wenigen Monaten wieder abgeschafft. Er wurde erst Mitte 2023 eingeführt, um erwerbslose Menschen bei Fort- und Weiterbildung besser unterstützen zu können. Entsprechend wird der Eingliederungsetat für die Jobcenter um 50 Millionen Euro gekürzt. Ich halte das angesichts des hohen Stellenwerts von Weiterbildung im Bürgergeld für ein völlig falsches Signal.

Der für mich entscheidende Punkt ist aber der Beschluss zu den Leistungskürzungen (Sanktionen) im Bürgergeld. Es wird nun wieder möglich, den Regelsatz bei sogenannten Pflichtverletzungen komplett zu streichen. Zwar werden die Kosten der Unterkunft weiter übernommen, dennoch haben die betroffenen Menschen damit kein Geld für Essen oder Kleidung und erhalten auch keine Sachmittel. Das ist ein schwerwiegender Eingriff in das menschenwürdige Existenzminimum.

Zwar haben wir Grüne in den Verhandlungen zu diesem Gesetzentwurf noch wichtige Verbesserungen durchsetzen können. Danach ist eine komplette Leistungskürzung erst dann möglich, wenn es bereits vorher zumindest eine Sanktion aufgrund einer anderen Pflichtverletzung gegeben hat. Außerdem haben wir erreicht, dass die Regelung auf zwei Jahre befristet ist und danach wieder entfällt.

Diese Verbesserungen wiegen die negativen Konsequenzen aber nicht auf. Die neue Regelung ignoriert die im Bürgergeld angelegte stufenweise Erhöhung von Leistungskürzungen. Diese gilt für die 100-Prozent-Sanktionen nun nicht mehr, denn sie greifen direkt nach der zweiten Pflichtverletzung. Auch wenn letztlich nur wenige Menschen von Totalsanktionen betroffen sein werden, ist allein die Androhung für alle anderen Menschen im Bürgergeld stigmatisierend. Es läuft der ursprünglichen Idee des Bürgergelds entgegen, Beratung und Unterstützung stärker auf Augenhöhe zu gewährleisten und Menschen nicht durch Androhungen von Leistungskürzungen in prekäre und wenig nachhaltige Jobs zu drängen. Erwerbslose im Bürgergeld bereits bei der zweiten Pflichtverletzung als sogenannte „Totalverweigerer“ zu bezeichnen und damit einhergehend die Unterstützungsleistungen komplett zu streichen, ist nicht zielführend.

Die neue verschärfte Sanktionsmöglichkeit verstärkt vor allem die unsägliche Debatte um das Bürgergeld, die seit Monaten geführt wird und sich mittlerweile regelrecht toxisch in der Gesellschaft auswirkt. Sie trifft nicht nur die wenigen Menschen, die tatsächlich Arbeit ablehnen, sondern auch alle anderen Erwerbslosen, die Bürgergeld beziehen und Unterstützung brauchen. Auswirkungen hat die neue Sanktionsmöglichkeit auch auf Beschäftigte, denn sie verunsichert und macht Angst mit der Folge, dass Beschäftigte von Kündigungen absehen und zwar auch dann, wenn diese aufgrund von schlechten Arbeitsbedingungen gerechtfertigt wären. Die Einsparungen im Haushalt werden genau so begründet, denn die Zahl der Menschen, die direkt von den Kürzungen betroffen sein werden, dürfte sehr gering sein. Ich lehne diese Denkweise ab.

Die neue Regelung stellt insbesondere Arbeitslose unter Generalverdacht. Es wird suggeriert, Menschen, die arbeitslos sind, wollen gar nicht arbeiten. Die vielfältigen Gründe insbesondere für Langzeitarbeitslosigkeit treten in den Hintergrund und werden ignoriert. Das wird der tatsächlichen Situation, den strukturellen Problemen und den betroffenen Menschen nicht gerecht. Und das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel.

Dem Haushalt 2024 werde ich zustimmen, weil er alle Politikbereiche und insbesondere im Bereich Arbeit und Soziales viele Pflichtleistungen umfasst. Es ist auch gut, dass aufgrund der Haushaltsberatungen die Mittel für Verwaltung und Eingliederung sogar erhöht werden. Zudem wird darauf verzichtet, dass die Bundesagentur für Arbeit Teile der Corona-Zuschüsse zurückzahlen muss.

Der Regelung zu den verschärften Sanktionen im Haushaltsfinanzierungsgesetz kann ich aber definitiv nicht zustimmen und zwar aus inhaltlichen Gründen und weil es auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gibt. Vor diesem Hintergrund werde ich beim Haushaltsfinanzierungsgesetz mit „Nein“ stimmen.

Persönliche Erklärung zum Haushaltsfinanzierungsgesetz