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06.11.2015

Persönliche Erklärung zur Neuregelung der Sterbehilfe

Die Debatte zur Sterbehilfe war eine ganz besondere Debatte. Es standen fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe zur Abstimmung und vor allem war die Debatte sehr privat, denn die Möglichkeiten am Ende des Lebens betreffen uns alle ganz persönlich. Ich habe mich für den Gesetzentwurf entschieden, der zukünftig die geschäftsmäßige Suizidhilfe unter Strafe stellt und der bei der dritten Lesung 360 Stimmen erhalten hat und jetzt Gesetz wird.

Es wird immer persönliche Ausnahmesituation geben, in denen sich unheilbar Erkrankte für die Selbsttötung entscheiden. Wenn sie Angehörige oder nahestehende Personen um eine Assistenz bitten, und den Suizid selber durchführen, dann bleibt dieser assistierte Suizid wie bisher straffrei.

Die assistierte Sterbehilfe als Dienstleistungsangebot, bei dem zwischen dem Sterbewilligen und dem Anbieter keine Nähebeziehung besteht, lehne ich aber ab. Deshalb habe ich den Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke) und Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) unterschrieben, der eine geschäftsmäßige, d.h. auf Wiederholung angelegte, Suizidbeihilfe unter Strafe stellt. Davon betroffen sind Vereine, Organisationen und Einzelpersonen, die mit gewerbsmäßiger Absicht Suizidassistenz anbieten. Der ärztliche Freiraum für ethisch begründete Gewissensentscheidungen aber bleibt damit unverändert erhalten. So sehen das auch die Bundesärztekammer und Palliativmediziner.

Menschen sollen selbstbestimmt sterben können. Das ist für mich selbstverständlich und deshalb bleibt die Sterbehilfe auch grundsätzlich straffrei. Ich bin aber davon überzeugt, dass neben dem Argument der Selbstbestimmung auch andere Gründe ausschlaggebend sind für die Rufe nach Sterbehilfe. Viele Menschen haben Angst davor, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können, abhängig zu sein von anderen Menschen, unter Schmerzen zu leiden, ein aus ihrer Sicht würdeloses Leben zu führen. Und häufig geht es auch gar nicht um die Schwerstkranken und Sterbenden, wenn es um die Sterbehilfe geht. Erschreckend häufig sind es Menschen mit psychischen Erkrankungen, vielfach solche mit Depressionen, die aus dem Leben scheiden wollen, und diese Gruppe wächst. Unsere Gesellschaft darf aber nicht so schwach sein, dass sie alten, kranken oder behinderten Menschen am Ende des Lebens nicht gerecht werden kann. Deshalb wäre für mich die organisierte Sterbehilfe eine politisch zutiefst deprimierende Antwort auf die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen. Denn bei diesem Thema geht es um die Würde des Menschen.

Für mich kann die Sterbehilfe als Dienstleistungsangebot deshalb nicht die Lösung sein und für mich wäre das auch keine Förderung der individuellen Selbstbestimmung. Ich hätte bei der organisierten Sterbehilfe auch die Sorge, dass das Angebot eine Nachfrage schafft und wir eine Tür öffnen, die wir nicht mehr schließen können. Der Staat kann und wird nie alle Facetten des Sterbens regeln können, das wäre auch vermessen. Aber wir können als Gesetzgeber klar machen, dass wir den assistierten Suizid als frei verfügbares Dienstleistungsangebot nicht wollen. Politik und Gesellschaft müssen in der Lage sein, menschenwürdige Pflege, Schmerzbehandlung, Unterstützung und Betreuung bis zum Lebensende zu garantieren. Das ist die Aufgabe der Politik.

Anstelle einer organisierten Sterbehilfe am Markt müssen wir vielmehr alle Energie darauf richten, die ganzheitliche Behandlung durch Palliativmedizin und die Hospizversorgung flächendeckend zu garantieren. Dazu ist insbesondere ausreichend Personal nötig, um die Pflege, Palliativversorgung und Begleitung am Ende des Lebens menschenwürdig zu gestalten.

 

Persönliche Erklärung als PDF

Gesetzentwurf: Sterbehilfe