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19.10.2023

Rede: Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen

Die Union hat einen Antrag eingebracht, in dem sie verpflichtende gemeinnützige Arbeit für Geflüchtete im Rahmen eines „Integrationsproramms“ fordert. Sie suggeriert damit, anerkannte Geflüchtete bräuchten Sonderregeln und müssten zur Arbeit verpflichtet werden. Das geht gar nicht. Statt populistischer Scheindebatten brauchen wir eine Politik, die wirklich bei der Integration in Arbeit hilft. Und dazu gehören die Aufhebung von Arbeitsverboten, schnelle Verfahren, Deutschkurse, individuelle Unterstützung, Qualifizierung. Davon profitieren wir dann alle.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Diese Rede war wieder einmal nur widerlich; etwas anderes kann man dazu gar nicht sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Enrico Komning (AfD): Das ist jetzt Hass und Hetze!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten kann unterschiedlich geführt werden: ernsthaft oder populistisch. Die Union suggeriert heute mit diesem Antrag, Geflüchtete bräuchten Sonderregeln, sie müssten zur Arbeit verpflichtet werden. Das bedeutet, die Union fordert auf der einen Seite Arbeitsverbote, und wenn Geflüchtete dann anerkannt sind, dann will sie eine Arbeitspflicht.

(Christoph de Vries (CDU/CSU): Das ist doch Kappes!)

Das zeigt: Die Union hat sich einmal mehr für den Populismus entschieden. Konstruktive Politik sieht anders aus.

(Beifall der Abg. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dieser Antrag ist nicht nur populistisch, sondern er hilft auch kein Stück weiter. Vier Aspekte dazu:

Erstens. Geflüchtete, die anerkannt sind – und um die geht es heute -, werden von den Jobcentern auf dem Weg in den Arbeitsmarkt unterstützt, und zwar mit allen Instrumenten der Arbeitsförderung: Beratung, Arbeitsgelegenheiten, Qualifizierung, Ausbildung. Es ist bekannt, dass Leistungen nur diejenigen bekommen, die der Vermittlung auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Das alles ist gesetzlich geregelt, und das nennt sich Bürgergeld.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt fordern Sie, die Union, für diese Menschen nebulös verpflichtende gemeinnützige Arbeit im Rahmen eines Integrationsprogramms. Damit würden lediglich Doppelstrukturen entstehen, die sinnvolle Maßnahmen in den Jobcentern blockieren und am Ende die Menschen sogar vom regulären Arbeitsmarkt fernhalten. Solche zusätzlichen arbeitsmarktfernen Strukturen machen überhaupt keinen Sinn und entlasten schon gar nicht die Kommunen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Wie soll eigentlich Ihr sogenanntes Integrationsprogramm umgesetzt werden? Vielleicht können Sie sich noch an das Bundesprogramm FIM, Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, erinnern.

(Alexander Throm (CDU/CSU): Gescheitert!)

Damit sollten 2016 im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes 100 000 gemeinnützige Stellen für Geflüchtete geschaffen werden. Mit nur 8 000 Stellen ist das Programm kläglich gescheitert. Und warum funktioniert das nicht, heute wie damals? Die Kommunen müssen richtig viel Arbeit erbringen. Sie müssen nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern diese müssen auch noch zusätzlich und gemeinnützig sein. Sie brauchen Leute, um die Menschen auch betreuen zu können. Das ist alles sehr aufwendig, und das kostet auch richtig viel Geld. Deshalb hat das damals auch nicht funktioniert. Sie sollten Erfahrungen aus Ihrer eigenen Regierungszeit ernst nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Was ist eigentlich mit den rund 1 Million Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit?

(Alexander Throm (CDU/CSU): Die müssen sich ja auch nicht integrieren, oder? – Nina Warken (CDU/CSU): Es geht um Integration!)

Sollen die auch zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden? Oder nur die Geflüchteten? Sie suggerieren damit nicht zum ersten Mal, dass Geflüchtete nicht arbeiten wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Sie stigmatisieren, und Sie stellen sie als Gruppe unter Generalverdacht. Damit bedienen Sie rassistische Vorurteile.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Forschung sagt sehr klar, dass die Beschäftigungsquote mit der Aufenthaltsdauer steigt und dass der Wunsch, zu arbeiten, über alle Flüchtlingsgruppen sehr hoch ist. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Peggy Schierenbeck (SPD))

Viertens. Deshalb geht es auch darum, die Geflüchteten nicht einfach nur zu beschäftigen. Was wir brauchen, ist eine Strategie, und zwar individuell und arbeitsmarktnah von Anfang an und im Übrigen für alle arbeitslosen Menschen. Es geht um gute Berufsorientierung, individuelle Beratung, um Qualifizierung, um Ausbildung, und zwar ganz nach den Stärken und Potenzialen der Geflüchteten. Ziel muss doch eine nachhaltige, dauerhafte Vermittlung in den Arbeitsmarkt sein als echte Antwort auf den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das braucht eine gewisse Zeit. Aber wenn es dann gut funktioniert, dann sind die Geflüchteten eben keine Belastung, sondern eine Chance.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Peggy Schierenbeck (SPD))

Grünes Fazit ist also: Wir brauchen keine Scheindebatten, sondern wir müssen uns darauf konzentrieren, was bei der Integration in Arbeit tatsächlich hilft.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Deshalb müssen – ganz wichtig – alle Arbeitsverbote fallen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Geflüchteten brauchen schnelle Verfahren, frühzeitig Deutschkurse, Berufsorientierung, engmaschige Betreuung. Frauen brauchen zum Beispiel frühzeitig Kinderbetreuung, damit sie überhaupt Deutsch lernen können. Zentral ist, dass Qualifikation und Berufserfahrung der Geflüchteten zügig anerkannt werden.

(Alexander Throm (CDU/CSU): 84 Prozent der Geflüchteten haben keinen Schulabschluss! – Zuruf von der AfD)

Hier sind durch 16 Jahre Union eine Abwehrhaltung und eine Bürokratie entstanden, die definitiv die Integration in Arbeit erschweren und auch verhindern. Die Geflüchteten brauchen also – ich habe es gesagt – Unterstützung, Ausbildung und Qualifizierung. Davon profitieren dann alle: die Geflüchteten, die Gesellschaft und insbesondere auch die Wirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Antrag der Union lehnen wir ab; denn das, was die Union heute hier vorlegt, hat nichts mit einer ernsthaften, lösungsorientierten Debatte zu tun. Das ist nichts anderes als billiger Populismus.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Rede: Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen