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29.01.2015

Rede: Betriebliche Mitbestimmung

Heute konnte ich endlich meinen Antrag „Mehr Betriebsrätinnen und Betriebsräte braucht das Land“ in den Bundestag einbringen. Es gibt deutliche Hinweise, dass die betriebliche Mitbestimmung immer häufiger behindert und in manchen Fällen sogar strategisch bekämpft wird. Das ist nicht akzeptabel. Da muss die Politik vorausschauend tätig werden. Die Beschäftigten brauchen mehr Schutz und Unterstützung.

Vizepräsident Peter Hintze: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Mitbestimmung bedeutet für die Beschäftigten Augenhöhe im Betrieb und für die Arbeitgeber entsteht Vertrauen in der Belegschaft. Die Mitbestimmung ist gelebte Partizipation und Demokratie. Auch der Gesetzgeber hat sich im Betriebsverfassungsgesetz ganz eindeutig positioniert. Dort steht nicht „sollen“ oder „können“, nein, Betriebsräte „werden“ gewählt. Die Mitbestimmung ist anerkannt, und darüber besteht auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Wenn dieser Konsens aber brüchig wird, dann muss Politik handeln – und deshalb heute unser Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Brüchig“ meint, dass die Arbeit oder die Wahlen von Betriebsräten immer häufiger behindert werden. Ein Beispiel zeigte das ARD-Magazin Report. Da ging es um einen Mann, der 26 Jahre im gleichen Betrieb gearbeitet hat. Das war seine Lebensaufgabe. Dann war von heute auf morgen Schluss. Ihm wurde gekündigt, nur deshalb, weil er zusammen mit Kollegen einen Betriebsrat gründen wollte. Das ist nicht die Regel, aber das ist auch kein Einzelfall. Fakt ist aber: Manche Arbeitgeber verhindern Betriebsratswahlen. Das geht nicht. Deshalb fordern wir mehr Schutz für die Beschäftigten; denn die betriebliche Mitbestimmung ist immerhin ihr verbrieftes Recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auf drei Forderungen möchte ich ganz kurz eingehen. Erstens. Die schwierigste Phase ist, wenn sich Beschäftigte auf den Weg machen, um einen Betriebsrat zu gründen, insbesondere in einem mitbestimmungsfeindlichen Betrieb. In dieser Zeit brauchen die Beschäftigten Unterstützung. Deshalb sollen sie die Möglichkeit erhalten, ihre Absicht bei einer neutralen Stelle zu melden. Dann erhalten sie auch den besonderen Schutz nach § 78 Betriebsverfassungsgesetz. So werden die Beschäftigten vor Benachteiligungen und Schikanen geschützt. Wenn Arbeitgeber Betriebsräte tatsächlich verhindern wollen, dann müssen wir ganz eindeutig an der Seite der Beschäftigten stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE))

Zweitens. Es ist bekannt: Heute stellen viele Betriebe und sogar manche Branchen in großer Zahl nur noch befristet ein. Häufig werden die Befristungen genutzt, um unerwünschte Betriebsräte zu zerschlagen. In diesen Betrieben muss häufig schon nach kürzester Zeit wieder neu gewählt werden, weil die befristet beschäftigten Betriebsräte die Ersten sind, die wieder gehen müssen, und das ist nicht akzeptabel. Deshalb sollen diese Betriebsräte übernommen werden wie Auszubildende auch, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen. Der besondere Schutz nach § 78 a Betriebsverfassungsgesetz funktioniert bei den Auszubildenden gut. Dann geht das auch bei Befristungen; denn die Arbeit von Betriebsräten braucht Kontinuität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Drittens. Wenn Betriebsräte nicht erwünscht sind, dann gibt es Kündigungen. Die Beschäftigten werden gemobbt, es hagelt Abmahnungen. Es gibt Schikane und Benachteiligungen. Das alles sind Straftaten nach § 119 Betriebsverfassungsgesetz. Dazu sagte ein Fachanwalt in der besagten Report-Sendung – ich zitiere -:

Verfahren verlaufen im Sande, werden eingestellt … So … haben Arbeitgeber eigentlich gar nichts zu befürchten.

Hier läuft wirklich etwas gewaltig schief. Es muss endlich geprüft werden, welche strukturellen Defizite bei der Verfolgung von Straftaten nach § 119 Betriebsverfassungsgesetz bestehen. Hier brauchen wir dringend Lösungen. Das sind keine Kavaliersdelikte. Bestehendes Recht muss endlich durchgesetzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt eindeutige Hinweise, dass die Mitbestimmung mittlerweile strategisch bekämpft wird. Diese Hinweise bezeichnen die Autoren einer WSI-Studie als „Spitze des Eisbergs“. Deshalb muss die Politik vorausschauend tätig werden. Die Beschäftigten brauchen mehr Schutz und auch mehr Unterstützung; denn wir brauchen mehr und nicht weniger Demokratie in den Betrieben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 

Rede: Mitbestimmung

Antrag: Mitbestimmung