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09.03.2012

Rede: Leiharbeit

Wieder einmal haben wir eine Debatte zur Leiharbeit geführt. Zu diesem Zeitpunkt war es mir vor allem wichtig, das Thema anzusprechen. Nach der Reform in der Leiharbeit hatte die Arbeitsministerin die Tarifpartner aufgefordert eine Equal-Pay-Regelung zu verhandeln. Ein Jahr hatten sie Zeit. Ich habe die Debatte genutzt und nachgefragt.

Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke vom Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss gestehen: Der Antrag der Linken irritiert auch mich. (Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Hört! Hört!)

Sie, die Linken, wollten die Leiharbeit bisher regulieren, jetzt wollen Sie die Leiharbeit ganz verbieten. Außerdem geht es um Scheinwerkverträge. Ein anderer Antrag – Sie haben es gerade angesprochen – liegt bereits vor; aber wir haben noch nicht einmal die Anhörung dazu durchgeführt. Um was geht es heute eigentlich? Wir Grünen stehen zu unseren Positionen. Wir wollen die Leiharbeit nicht abschaffen, aber regulieren. Sie soll weiterhin zur flexiblen Abfederung von Auftragsspitzen und zur Überbrückung personeller Engpässe genutzt werden können, aber nicht zum Nachteil der Beschäftigten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Barthel (SPD))

Leiharbeitskräfte müssen fair entlohnt werden und mehr Sicherheit erhalten. Deswegen fordern wir konsequent Equal Pay, und zwar, Herr Kolb, nicht erst nach neun Monaten,

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nach uns! Das Thema nehmt ihr uns nicht! Wir waren diejenigen, welche!)

sondern ab dem ersten Tag. Wir fordern einen Flexibilitätsbonus von 10 Prozent und die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kritisieren auch, dass die Leiharbeit vermehrt durch Scheinwerkverträge umgangen wird. Deshalb haben auch wir vor einiger Zeit einen entsprechenden Antrag eingebracht. Wir fordern klare Kriterien und eine eindeutige Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen. Diese Positionen sind bekannt. Bei uns Grünen gibt es also nichts Neues. Ich kann Ihnen versichern, dass wir heftig darum streiten werden.

Ich möchte die heutige Diskussion nutzen, um einen anderen Aspekt zu erwähnen – dieser ist schon angesprochen worden -: Nach der Reform der Leiharbeit im letzten Jahr haben Sie, die Regierungsfraktionen, und die Bundesarbeitsministerin von der Leyen die Verantwortung für die Schaffung einer Equal-Pay-Regelung auf die Tarifpartner übertragen. Sie haben den Tarifpartnern dafür ein Jahr Zeit gegeben. Für den Fall, dass in dieser Zeit keine tragfähige tarifliche Regelung gefunden wird, hatte die Ministerin die Einführung einer gesetzlichen Equal-Pay-Regelung in Aussicht gestellt. Dieses eine Jahr ist bald vorbei. Ich frage die Regierungsfraktionen: Wie sieht es aus? Wird es eine tarifliche Regelung geben?

(Paul Lehrieder (CDU/CSU): Das Jahr ist noch nicht vorbei! Es hat zwölf Monate!)

– Die Frist von einem Jahr ist bald vorbei. – Wird wirklich jede Branche, also auch kleine Branchen, selber verhandeln müssen? Sind Sie, falls es keine tarifliche Regelung geben sollte, endlich bereit, den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gesetzlich durchzusetzen, oder waren Ihre Ankündigungen wieder einmal nur schöne Sonntagsreden?

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Müller-Gemmeke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Weiß?

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Kollegin Müller Gemmeke, nachdem Sie die Regierungskoalition und die Regierung gefragt haben, antworte ich nun mit einer Rückfrage an Sie: Haben Sie zur Kenntnis genommen – es wurde auch öffentlich bekannt gegeben -, dass die Gewerkschaften und die Zeitarbeitgeberverbände, vorneweg IG Metall und Gesamtmetall, das Thema „Equal Pay“ auf der Tagesordnung der zurzeit laufenden Tarifverhandlungen haben und über Regelungen in Form von branchenbezogenen Zuschlägen und über den Zeitpunkt, ab dem 100 Prozent gezahlt werden sollen, diskutieren? Die Tarifverhandlungen werden in diesen Tagen geführt, und man sagte uns auf Nachfrage: Jawohl, wir sind optimistisch, eine Regelung zu finden. Also wird das, was die Koalition angekündigt hat, aller Voraussicht nach in diesem Frühjahr umgesetzt werden.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Weiß, natürlich habe ich das mitbekommen. (Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Sehr gut!)

Ich weiß auch, dass es in der Stahlbranche bereits eine tarifliche Regelung gibt. Aber – Kollege Barthel hat das gerade schon angeführt -: Es kann doch nicht sein, dass jede Gewerkschaft für ihren Bereich eine Regelung aushandeln muss.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das soll für alle gelten! Das soll übernommen werden! Das ist ja die Ankündigung! Was Metall macht, soll anschließend von der gesamten Zeitarbeitsbranche übernommen werden!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt nicht im Dialog, sondern es heißt in unserer Geschäftsordnung: Fragen und Bemerkungen.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Entschuldigung, Frau Präsidentin! – Zuruf von der FDP: Aber ich fand die wichtig!)

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es ist mir nicht bekannt, dass die im Bereich Metall gefundene Regelung auf alle Branchen übertragen werden kann; das kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll.

(Klaus Barthel (SPD): Da sind wir gespannt, Herr Weiß!)

Was wird mit den Branchen sein, in denen es keine Tarifverträge gibt? Was ist zum Beispiel mit den Kirchen? Auch dort gibt es Leiharbeit und, und, und. Von daher: Ich bin natürlich der Meinung, dass wir eine einheitliche Regelung brauchen. Wir brauchen aber keine IG-Metall-Regelung.

(Klaus Barthel (SPD), an die CDU/CSU gewandt: Warum haben Sie denn dann nicht schon die IG-BCE-Regelung übernommen?)

Es ist ja schön, dass Sie miteinander diskutieren; aber ich glaube, jetzt bin ich an der Reihe.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte nicht, dass das von meiner Zeit abgeht. Aus meiner Sicht ist eine tarifliche Equal-Pay-Regelung ohnehin der falsche Weg. Die Gewerkschaften müssen mittlerweile über sehr viele unterschiedliche Themen verhandeln:

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Trauen Sie denen das nicht zu? – Gitta Connemann (CDU/CSU): Das können die! Glauben Sie mir das!)

über die Übernahme von Azubis, Regelungen für Ältere, die Übernahme von Leiharbeitskräften, die Arbeitsplatzsicherung und vieles andere mehr. Je mehr Themen dazukommen

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Jetzt muss sogar die FDP die Gewerkschaften gegen die Grünen verteidigen! So weit ist es schon gekommen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

– Herr Kolb stellen Sie doch eine Frage –, umso weniger können die Gewerkschaften faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen durchsetzen. Meiner Meinung nach schwächt das die Gewerkschaften. Eine gesetzliche Equal-Pay-Regelung hingegen würde die Gewerkschaften stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Zudem war Ihre Reform der Leiharbeit letztes Jahr für die Beschäftigten nahezu bedeutungslos. Die Interessen der Leiharbeitsbranche und der Wirtschaft aber sind bedient worden. In der Folge ist der Trend zu immer mehr Leiharbeit ungebrochen. Die Unternehmen profitieren weiterhin doppelt: Sie erhalten Flexibilität und billige Arbeitskräfte. Die Leiharbeitskräfte hingegen leiden unter einer doppelten Belastung: Sie verdienen weniger und haben keinen sicheren Job. Ich bleibe dabei: Das ist ungerecht und auch nicht fair. Leiharbeitskräfte haben einen berechtigten Anspruch auf die gleichen Arbeitnehmerrechte, auf faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen wie alle anderen Beschäftigten auch.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht lockerlassen. Wir werden Sie immer wieder an Ihr Versprechen erinnern und konkretes Handeln einfordern. Sie sind jetzt am Zug. Machen Sie Ernst mit Equal Pay, und zwar mit einer gesetzlichen Regelung! Liefern Sie das, was Sie versprochen haben!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

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