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21.03.2013

Rede: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren

Wir Grünen haben letztes Jahr schon einen Antrag zu psychischen Gefährdungen in den Bundestag eingebracht. Jetzt hat die SPD nachgelegt. Mit diesen Anträgen gehen wir in die anstehende Anhörung – das ist ein starkes Signal an die Bundesregierung. Wir brauchen Leitplanken für eine alters- und alternsgerechte Arbeitswelt!

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke vom Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gut, dass nun auch die SPD einen Antrag zu psychischen Gefährdungen am Arbeitsplatz vorgelegt hat. Drei Anträge für die anstehende Anhörung – das ist ein sehr klares Signal von der Opposition an die Bundesregierung. Wir hoffen, dass dieses Signal auch ankommt. Denn noch hat die Bundesregierung ja Zeit, aktiv zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm (SPD))

Stress gehört zum Arbeitsalltag; das hat der Stressreport 2012 nochmals bestätigt. Bei 43 Prozent der Befragten hat der Arbeitsstress in den letzten zwei Jahren zugenommen. 52 Prozent arbeiten unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Ein Viertel der Beschäftigten lässt die Pausen ausfallen, weil sie nicht in den Arbeitsablauf passen oder sonst das Arbeitspensum nicht zu schaffen ist. Es wundert also nicht, dass die Fehltage aufgrund psychischer Belastungen in den letzten 15 Jahren laut DAK-Gesundheit um 165 Prozent angestiegen sind. Stress am Arbeitsplatz macht krank. Diese Tatsache brauchen wir hier nicht mehr zu diskutieren. Handeln ist angesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und was kommt von der Bundesregierung? Als der Stressreport vorgestellt wurde, sagte Frau von der Leyen – ich zitiere –:

Stress bei der Arbeit kann vorkommen, aber nicht dauerhaft. Und er darf auch nicht krank machen. … Ich will dem chronischen Stress den Kampf ansagen und erwarte, dass die Betriebe mitziehen.

Im Gespräch war ja damals eine Anti-Stress-Verordnung. Doch die Arbeitgeber sind dagegen, und daran ist auch eine gemeinsame Erklärung gescheitert. Kaum hatte der Kampf von Frau von der Leyen begonnen, war er auch schon wieder zu Ende. Das war wieder einmal die folgenlose Ankündigungspolitik der Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Aus dem Kampf wird jetzt eine gesetzliche Miniregelung. Im Arbeitsschutzgesetz soll die Regelung in § 5 durch die Worte „psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ ergänzt werden. Das ist weder eine Kampfansage an die Arbeitgeber, noch hilft es gegen den Stress am Arbeitsplatz. Damit wird Handeln vorgetäuscht. Das ist eine Placebomaßnahme. Und das wird dem Thema und den Beschäftigten nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sehr geehrte Regierungsfraktionen, bei diesem Thema geht es um die Gesundheit und die Lebensqualität der Beschäftigten. Die Menschen leiden darunter, wenn sie der Arbeitsverdichtung nicht mehr gewachsen sind. Psychische Erkrankungen isolieren die Menschen und belasten zugleich die ganze Familie. Aber es geht auch um die Betriebe. Sie müssen den demografischen Wandel und den drohenden Fachkräftemangel bewältigen. Das geht jedoch nur mit einer tragfähigen Arbeitskultur.

Und wenn wir über Stress reden, dann geht es auch um das Thema Altersarmut, über das die Ministerin gerne redet, aber bei dem sie nichts zustande bringt. Wer Altersarmut verhindern will, der muss dafür sorgen, dass die Beschäftigten auch gesund bis zur Rente arbeiten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb fordern auch wir eine Anti-Stress-Verordnung. Die Arbeitgeber müssen sensibilisiert werden. Sie müssen wissen, wann und wie Stress am Arbeitsplatz entsteht, und vor allem, wie er vermieden werden kann. Eine Anti-Stress-Verordnung wäre ein konkretes Werkzeug, das wir den Betrieben an die Hand geben wollen. Die Ergänzung im Arbeitsschutzgesetz reicht, wie gesagt, einfach nicht aus. Damit verfährt die Ministerin wieder einmal nach dem Grundsatz: Augen zu und durch. Das wird der Lebensrealität der Menschen nicht gerecht. In einer älter werdenden Gesellschaft müssen die Menschen mit ihren Fähigkeiten, aber auch mit ihren Belastungsgrenzen im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen eine alters- und alternsgerechte Arbeitswelt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 

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