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05.07.2014

Tarifeinheit: Kooperation statt Konfrontation

Die Große Koalition hat Eckpunkte für eine gesetzliche Tarifeinheit verabschiedet und wird auf dieser Grundlage noch im Herbst eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen. In der letzten Woche vor der Sommerpause wurde dazu mein Positionspapier in der Fraktion beschlossen. Wir stehen uneingeschränkt zur verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit und zum Streikrecht. Deshalb lehnen wir eine gesetzliche Tarifeinheit ab.

Jahrzehnte galt der Grundsatz „ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ bis das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2010 seine bisherige Rechtsprechung zur Tarifeinheit revidierte und die Rechtsprechung an die längst existierende Tarifpluralität angepasst hat. Nach diesem Urteil kann ein Tarifvertrag nicht mehr durch einen anderen Tarifvertrag verdrängt werden. Beide Tarifverträge gelten bei überschneidenden Geltungsbereichen entsprechend dem Tarifvertragsgesetz nebeneinander. Die Erosion von Tarifstandards nach unten, beispielsweise durch arbeitgeberfreundliche Tarifverträge der Christlichen Gewerkschaften, ist nicht mehr möglich.

Die BAG-Entscheidung hatte eine lebhafte Diskussion bei den Gewerkschaften und Juristen hervorgerufen, die durch den Ruf nach einer gesetzlich normierten Tarifeinheit noch intensiviert wurde. Einige befürchten durch das BAG-Urteil „englische Verhältnisse“ und Dauerstreiks sowie eine weitere Zersplitterung der Tariflandschaft. Andere erwarten durch das Urteil keine erheblichen Veränderungen in der Tariflandschaft. Obwohl eine gesetzliche Tarifeinheit insbesondere unter den Juristen mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit äußerst kontrovers diskutiert und mittlerweile von allen Gewerkschaften abgelehnt wird, hält die Große Koalition an der im Koalitionsvertrag vereinbarten gesetzlichen Tarifeinheit fest.

Auch wir GRÜNEN beachten mit großer Sorge die zunehmende Zersplitterung der Tariflandschaft. Die Erosion des Tarifsystems entstand aber unserer Ansicht nach insbesondere durch das Aufweichen von Flächentarifverträgen, Tarifflucht und OT-Mitgliedschaften, Ausgliederungen und das Ausweichen auf Werkverträge. In Zeiten, in denen die Gestaltungsspielräume der Gewerkschaften kleiner werden und die Durchsetzungsfähigkeit abnimmt, muss die Politik durch angemessene Rahmenbedingungen der Zersplitterung des Tarifsystems entgegen wirken. Wir brauchen ein umfassendes gesetzliches Maßnahmenbündel, damit der Lohndruck nach unten und das Absinken von Standards bei den Arbeitsbedingungen aufgehalten wird. Gute politische Rahmenbedingungen stärken die Gewerkschaften und ermöglichen eine solidarische Tarifpolitik, denn auch wir GRÜNEN haben den Anspruch, dass alle Beschäftigten angemessen vertreten werden. Starke Gewerkschaften müssen ihre Durchsetzungsmacht auch für schwache Gruppen nutzen und einer sozialen und solidarischen Gewerkschaftspolitik gerecht werden.

Die Solidarität in den Betrieben ist aus unserer Sicht eine gewerkschaftspolitische Aufgabe und dies funktioniert nur durch Kooperation und nicht durch Konfrontation. Daher lehnen wir eine gesetzliche Tarifeinheit ab, zumal keine negativen Folgen seit dem BAG-Urteil zu beobachten sind, die einen solchen Schritt rechtfertigen würden. Vielmehr zeigt sich immer wieder, dass funktionierende gerichtliche Kontrollmechanismen bestehen, durch die unverhältnismäßige Streiks unterbunden werden. Auch haben sich in den vier Jahren nach dem BAG-Urteil weder auffällig viele Berufsgewerkschaften gegründet noch nahmen die Arbeitskämpfe und Streiktage evident zu.

Wir sprechen uns insbesondere gegen Eingriffe in das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht der Koalitionsfreiheit und in das Streikrecht aus. Denn die Koalitionsfreiheit ist ein Freiheitsrecht, ein Grundrecht und zugleich ein wesentlicher Grundpfeiler des Minderheitenschutzes. Alle Beschäftigten müssen auch zukünftig für bessere Löhne und gute Arbeitsbedingungen streiken können.

 

Fraktionsbeschluss