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28.02.2020

Wirtschaftskongress: Flexibilität ist keine Einbahnstraße

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Es kamen wirklich viele: Fast 1000 Gäste besuchten am 28. Februar unseren grünen Wirtschaftskongress. Unter dem Motto „Gemeinsam den Wohlstand von morgen sichern“  diskutierten wir mit unseren Gästen über Wege zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft. In verschiedenen Panels ging es quer durch alle wirtschaftlichen Themen. In meinem Panel diskutierten wir, was es alles braucht, damit Arbeit besser ins Leben der Beschäftigten passt.

Wir leben nicht, um zu arbeiten. Nein – wir arbeiten, um gut zu leben. Deshalb sollte Arbeit besser ins Leben der Beschäftigten passen. Und dafür brauchen sie mehr Zeitsouveränität. Kein Problem, befand Johannes Prahl, Personalleiter bei der GLS-Bank. In seinem Unternehmen können Beschäftigte im Homeoffice arbeiten, wenn es die Arbeit zulässt. Die Arbeit im Kundendienst der Bank oder beim Reinigungspersonal erlauben die Arbeit von zu Hause aus natürlich nicht. Das sei ein Problem, meinte Prahl. Christoph Schmitz vom Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di hielt dagegen, zum Ausgleich könnten Unternehmen hier ja in anderer Form mehr Zeitsouveränität und andere Freizeitregelungen schaffen.

Nach Erkenntnissen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeiten in Deutschland bisher nur wenige Menschen im Homeoffice, da die Unternehmen es ablehnen. Wo die Präsenzkultur noch vorherrschendes Muster am Arbeitsplatz ist, lehnen Arbeitgeber Homeoffice ab. Dabei, so GLS-Mann Prahl, sei Homeoffice gar keine große Herausforderung für Betriebe, sondern machbar. Die Skepsis anderer Unternehmen hielt er einfach für „Quatsch“.

Zeitsouveränität bei der GLS Bank sei betrieblicher Alltag, erklärte der Personalchef. In Vorstellungsgesprächen ginge es heutzutage nicht mehr allein um die Höhe des Verdienstes und die Aufgaben, nein, BewerberInnen fragten heute auch danach, wie das Team aufgestellt sei und welche flexiblen Arbeitsformen möglich seien. Denn die Menschen wollen ihre Arbeit und die Familie unter einen Hut bekommen. Und darauf gehe man bei der GLS-Bank ein.

Christoph Schmitz von ver.di gab zu bedenken, dass es eine große Bandbreite von Beschäftigung gebe, wenn es um die Flexibilität der Arbeitszeit gehe. In der Medienbranche sei Zeitsouveränität schon immer Gang und Gebe gewesen. In der Pflege gingen die Beschäftigten aufgrund zu hoher Belastungen in die Teilzeitarbeit. Am Flughafen, wo das Flugaufkommen morgens und abends am höchsten ist, arbeitet das Servicepersonal morgens und abends und hat zwischendurch lange Pausen – und viele dieser Beschäftigten müssten danach noch aufs Amt gehen, um ihren Lohn mit Hartz IV aufzustocken. Und im Handel gebe es eh nur noch 10 bis 15 Stunden-Verträge und dazu noch Arbeit auf Abruf. Da sei von Zeitsouveränität gar keine Rede mehr.

Generell geht es also um die Arbeitskultur bei uns. Und diese Frage bewegte auch das Publikum des Panels am meisten. So fragte eine Teilnehmerin, warum eigentlich immer nur die Mutterschaft in Unternehmen angezeigt werden müsse, warum nicht die Elternschaft? Und warum würden anschließend nur die werdenden Mütter zu einem Personalgespräch bestellt, warum nicht auch die werdenden Väter? Eine neue Unternehmenskultur, da waren sich alle einig, ist überlebenswichtig für unsere Wirtschaft. Bisher, so Schmitz, sind Beschäftigte ein Kostenfaktor und werden entsprechend kalkuliert.  Künftig, so die Forderung des Panels, müsse der Mensch mehr im Mittelpunkt des Wirtschaftens stehen, und deshalb müssen wir in allen Branchen Arbeitsformen finden, die menschengerecht sind. Das betrifft nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Führungskräfte. Wir brauchen einen Schutz vor schlechter Führung, forderte eine Unternehmerin. Und warf damit auch die Frage auf, warum es eigentlich noch keine Leistungsbeurteilung für Führungskräfte gibt.