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18.06.2020

Rede: Chance verpasst beim sozialen Europa

Die europäische Entsenderichtlinie hätte besser und konsequenter umgesetzt werden müssen. Deshalb haben wir zwei Änderungsanträge eingebracht. Wir kritisieren, dass nur bundesweite und keine regionale Tarifverträge allgemeinverbindlich erklärt werden können. Notwendig wären auch ganze Tarifgitter, damit gute und faire Tarifverträge für entsandte Beschäftigte verhandelt werden können. Die Bundesregierung hat eine Chance verpasst. Wir wollen ein soziales Europa. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort und dafür werden wir weiter streiten und kämpfen.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:  

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema heute ist komplex, aber wichtig. Es geht darum, ob endsandte Beschäftigte aus dem EU-Ausland fair behandelt werden. Es geht darum, ob das soziale Europa, über das wir immer reden, auch tatsächlich sozial ausgestaltet wird. Vor diesem Hintergrund ist das Gesetz wahrlich kein großer Wurf. Im Gegenteil: Die Gestaltungsspielräume wurden in keiner Weise genutzt, und genau das kritisieren wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hätten die Entsenderichtlinie besser und konsequenter umsetzen können und auch müssen. Zu zwei Stellen, die uns besonders wichtig sind, haben wir Änderungsanträge, über die wir nachher abstimmen lassen.

Erstens. Nur bundesweite Tarifverträge können für entsandte Beschäftigte allgemeinverbindlich erklärt werden, und damit werden alle regionalen Tarifverträge ausgeschlossen, obwohl es in Deutschland kaum bundesweite, sondern vor allem regionale Tarifverträge gibt. Unser Sachverständiger Professor Rödl hat in der Anhörung bestätigt, dass es für diese Einschränkung keinen guten Grund gibt, und bezeichnet das sogar als Verstoß gegen die Entsenderichtlinie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Regionale Tarifverträge müssen wie bundesweite Tarifverträge behandelt werden. Genau das beantragen wir nachher mit unserem Änderungsantrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zweitens. Die Entsenderichtlinie spricht ganz eindeutig von gleicher Entlohnung. Im Gesetzentwurf aber gibt es wieder Mindestentgeltsätze und darüber hinausgehende Entgeltbestandteile. Dann werden die Tarifverträge für entsandte Beschäftigte auch noch auf drei Stufen begrenzt. Das ist dann unser zweiter Änderungsantrag. Denn diese drei Stufen schränken die Tarifpartner ohne Not ein. Damit gefährden Sie beispielsweise auch einen guten Tarifvertrag in der Pflege, der im letzten Herbst mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz überhaupt erst ermöglicht wurde. Das ist einfach nur absurd und nicht nachvollziehbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gibt es auch Verbesserungen. Die Kosten für Unterkunft, Anreise oder Verpflegung können jetzt nicht mehr mit dem Lohn verrechnet werden, die Standards für Unterkünfte können besser geregelt werden und – ganz wichtig, es wurde schon angesprochen – die Beratung durch das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ wird endlich dauerhaft finanziert. Das fordern wir schon lange. Das alles sind gute und notwendige Verbesserungen. Deshalb werden wir auch, bei aller Kritik, dem Gesetzentwurf am Ende zustimmen.

Und doch bleibt der Gesetzentwurf weit hinter der Entsenderichtlinie zurück. Damit wurde – ich muss es noch einmal deutlich sagen – eine Chance verpasst. Wir wollen ein soziales Europa. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, und dafür werden wir weiter streiten und kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rede: Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie

Änderungsantrag: regionale Tarifverträge

Änderungsantrag: Entlohnung