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22.07.2020

Grundeinkommen - Stärkung oder Entwertung von Erwerbsarbeit?

Die Corona-Pandemie hat auch die Debatte um das Grundeinkommen wieder angefacht. Dabei spielen die Auswirkungen auf die Erwerbsarbeit eine zentrale Rolle. Wie würde sich ein solches Grundeinkommen auf das Arbeitsleben auswirken? Motiviert es, oder treibt es die Menschen in die Hängematte? Entwertet ein Grundeinkommen die Erwerbsarbeit oder stärkt es die Beschäftigten und damit auch die Gewerkschaften? All diese Fragen haben wir in einem Webinar intensiv diskutiert.

Wir Grünen verfolgen eine nachhaltige und gerechte Politik für die Menschen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass Menschen in allen Lebenslagen gut abgesichert sind. Das ist eine Voraussetzung für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es stärkt uns vor Angriffen auf die Demokratie. Und es stärkt unsere Gesellschaft  in Zeiten der Krise, wie jetzt in Zeiten von Corona.

Corona zeigt wie ein Brennglas die Probleme von Hartz IV auf. Und es zeigt auf, wie schlecht Soloselbstständige oder Minijobs in unserer Gesellschaft abgesichert sind. Denn wer nicht sozialversicherungspflichtig arbeitet, erhält kein Kurzarbeitergeld. Ein echtes Grundeinkommen könnte hier helfen. Solch ein Grundeinkommen muss vor Armut schützen, individuell  und ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden und es darf nicht an Gegenleistung geknüpft sein.

Langzeitarbeitslose im heutigen System haben hingegen kaum eine Chance. Hartz IV setzt zwar auf Aktivierung, die Betroffenen müssen nach Arbeit suchen. Doch allzu oft sorgen Alter, Herkunft, Gesundheit oder veraltete oder zu geringe Qualifikationen dafür, dass diese Menschen keinen Fuß mehr auf die Erde des Arbeitsmarktes bekommen. Das ist nicht ihr individuelles Problem – es ist ein gesellschaftliches Problem. Deshalb wäre es viel besser, diese Menschen bedingungslos abzusichern. In einem zweiten Schritt könnten sie dann passgenau entsprechend ihrer Stärken und Fähigkeiten unterstützt werden.

Kritiker meinen, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde prekäre Arbeit verstärken. Doch ich glaube, das Gegenteil wäre der Fall. Denn wer abgesichert ist, ist nicht mehr erpressbar und muss keine schlechten Löhne oder schlechte Arbeitsbedingungen akzeptieren. Solche Menschen können Forderungen stellen, denn wenn sie die Arbeit nicht bekommen, fallen sie nicht ins Bodenlose. Ich bin daher überzeugt, ein Grundeinkommen stärkt die Beschäftigten und ihre Verhandlungsposition. Erst so werden alle auf dem Arbeitsmarkt zu „unabhängigen mündigen Bürger_innen“.          

Und auch im Zuge der Digitalisierung kann ein bedingungsloses Grundeinkommen neue Chancen eröffnen. Denn mit der Digitalisierung verändert sich Arbeit. Manche Jobs fallen weg, neue entstehen. Und die Arbeit wird zunehmend stressiger, verdichtet und beschleunigt sich, die Grenzen zwischen Arbeit und privatem Leben verschwimmen, wenn die Arbeit nicht mehr an einen bestimmten Port und an bestimmte Zeiten gebunden ist. Ein Grundeinkommen bietet hier die Chance für eine Arbeitszeitverkürzung. Die jüngeren könnten so stressfreier und selbstbestimmter arbeiten, die Älteren altersgerechter und damit gesundheitsbewusster. Wenn wir die Digitalisierung zusammen mit dem Grundeinkommen denken, dann können wir beginnen, Arbeit neu zu denken. So würden auch die Menschen davon profitieren und nicht nur die Wirtschaft.

Aber natürlich ist das Grundeinkommen auch kein Allheilmittel. Es ersetzt nur das heutige Hartz IV-System. Aktive Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bleiben weiterhin so nötig wie bisher.